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irrationale Zahlen

Square Root Magic - irrationale Zahlen

Das Zahlenwunderland: rationale Zahlen

Wer sich etwas näher mit Mathematik beschäftigt, beginnt meist damit, sich Gedanken über natürliche Zahlen zu machen. Sie sind die Zahlen, mit denen man beispielsweise Äpfel direkt beschreiben kann - also ganze Zahlen und stets positiv. Man kann sich die ganzen und positiven Zahlen als Elemente einer Menge vorstellen, die man die Menge der natürlichen Zahlen $\mathbb{N}$ nennt, dabei ist es je nach Verwendung zweckmäßig, die Null ein- oder auszuschließen. Für den Moment spielt es keine Rolle, deshalb akzeptieren wir die Null einfach - schließlich gibt es in unserer Natur ja auch den Fall 'kein Apfel'. Stellt man sich eine beliebige Menge von Äpfeln vor, so kann man natürlich immer einen weiteren dazulegen (egal, wie groß die Menge der bereits sein mag). Selbst wenn alle Äpfel dieser Erde aufgehäuft sind, kann man sich leicht vorstellen, einen weiteren dazuzulegen mit einer weiteren natürlichen Zahl zu nummerieren. Es gibt für die Zahlen selbst keine obere Grenze (für Äpfel durchaus) - bereits die Menge der natürlichen Zahlen besitzt unendlich viele Elemente.

Stellen wir uns vor, dass wir jetzt einen Apfel vom Haufen nehmen. Man erkennt leicht, dass man die natürlichen Zahlen auch voneinander abziehen kann, was zu negativen Zahlen und damit zu einer neuen Menge, der Menge der ganzen Zahlen $\mathbb{Z}$, führt. Sie enhält die natürlichen Zahlen sowie die negativen Zahlen - oder anders formuliert: man erhät die Menge der ganzen Zahlen, wenn man die natürlichen Zahlen um die neu gefundenen negativen Zahlen erweitert. Falls die Null nicht enthalten ist, wird sie zusätzlich aufgenommen.

ganze Zahlen auf dem Zahlenstrahl - negative Zahlen sind rot dargestellt.
In grün: die rationale Zahl 1,2 = 6/5.

Wer ein Taschenmesser besitzt, kommt früher oder später vielleicht auf die Idee, einen (oder mehrere) Äpfel aufzuteilen - stellt man sich die Zahlen wieder auf einem Zahlenstrahl vor, so stößt man damit in die Zwischenräume zwischen ganzen Zahlen vor. Eine solche Zahl erhält man, wenn man den sprichwörtliche Apfel in (beliebig kleine) Teile teilt und eine gewisse Zahl dieser Bruchteile hernimmt - allgemein lassen sich die neuen Zahlen schreiben als (gemeine) Brüche zweier ganzer Zahlen. Sie lauten $q = \frac{z}{n}$ mit $z$ aus den ganzen Zahlen ($z \in \mathbb{Z}$) und $n$ aus den natürlichen Zahlen ($ n \in \mathbb{N}$, falls die Zahl Null in $\mathbb{N}$ enthalten ist, muss man sie hier ausschließen: $n \neq 0$). Auch die Zahlen $q$ bilden wieder Elemente einer Menge $\mathbb{Q}$, die die ganzen Zahlen enthält (und damit wieder die natürlichen). Wir wollen sie die Menge der rationalen Zahlen nennen: \[ \mathbb{Q} := \{ q | q = \frac{z}{n}; z \in \mathbb{Z}; n \in \mathbb{N} \}. \]

Wie klein kann eine solche rationale Zahl werden? Beliebig klein, denn Zähler und Nenner der rationalen Zahl können bis ins unendliche laufen. Egal wie klein man sich eine Zahl auch vorstellt, es wird eine rationale Zahl geben (womöglich mit riesigem Nenner), die kleiner ist. Das bedeutet natürlich auch, dass man sich beliebig nahe an jede beliebige Zahl annähern kann (auch der Zähler der rationalen Zahl kann beliebig groß werden). Man spricht von 'dicht' auf der Zahlengeraden liegenden Zahlen, die Zwischenräume zwischen den ganzen Zahlen sind ohne Lücken geschlossen. Damit hat man den Eindruck, alle benötigten Zahlen zur Verfügung zu haben.

Auftritt der Wurzel

Betrachtet man aber die Quadratwurzel einer ganzen Zahl $a$, so kann es sich dabei natürlich ebenfalls um eine ganze Zahl handeln - wir kennen solche Wurzeln, beispielsweise $a = \sqrt{4}= \pm 2 \in \mathbb{Z}$.

Wirklich interessant sind aber genau diejenigen Wurzeln einer ganzen Zahl, die selbst keine ganzen Zahlen sind. Da die rationalen Zahlen offensichtlich dicht auf der Zahlengeraden liegen, sind sie geeignete Kandidaten für die gesuchten Quadratwurzeln. Wir nehmen also an, dass die gesuchten Zahlen rationale Zahlen sind: \[ \sqrt{a} = q \text{ mit } a \in \mathbb{Z} ; q \in \mathbb{Q}\] Die rationale Zahl $q$ ist die Quadratwurzel einer ganzen Zahl - damit muss ihr Quadrat wieder eine ganze Zahl sein: \[ \Leftrightarrow q^2 = a \in \mathbb{Z}. \] Wenn aber q eine rationale Zahl ist, kann sie als echter Bruch der beiden Zahlen $z \in \mathbb{Z}$ und $n \in \mathbb{N}; n \not= 0$ geschrieben werden. Zähler und Nenner sind teilerfremd (sind sie es nicht, kann einfach gekürzt werden und man erhält eine teilerfremde Darstellung derselben Zahl $q$). Wenn $q$ aber keine ganze Zahl ist, kann der gemeine Bruch \[ a = q^2 = \frac{z^2}{n^2} \] mit teilerfremdem $z$ und $n$ keine ganze Zahl sein!

Was bedeutet das? Die Quadratwurzel einer ganzen Zahl kann

  • selbst eine ganze Zahl sein, also $\sqrt{a} \in \mathbb{Z}$
  • oder selbst nicht ganz sein - dann kann sie aber auch keine rationale Zahl sein, also $\sqrt{a} \not\in Q$!
Die Menge der rationalen Zahlen enthält aber alle Zahlen, die sich als Verhältnis zweier ganzer Zahlen darstellen lassen. Obwohl sie dicht auf einem Zahlenstrahl liegen (es gibt eine rationale Zahl, die beliebig nahe an jedem Punkt liegt), existieren zusätzliche Zahlen dazwischen. Wir nennen sie irrational (die Bedeutung bezieht sich nicht auf die Vernunft, sondern auf das Verhältnis der Zahlen im Bruch). Irrationale Zahlen können im Gegensatz zu rationalen nicht als endliche oder periodische Dezimalzahl dargestellt werden - die Dezimaldarstellung bricht nicht ab und ist nicht periodisch. Man unterscheidet zwei Arten von Irrationalzahlen:
  • algebraische Zahlen (etwa quadratische Wurzeln aus Nicht-Quadratzahlen)
  • und transzendente Zahlen (etwa die Kreiszahl $\pi = 3,14159…$ oder die Eulersche Zahl $e = 2,71828…$ ).

irrationale und reelle Zahlen

Erweitert man die Menge der rationalen Zahlen um die irrationalen, so erhält man eine neue Menge $\mathbb{R}$, die reellen Zahlen (am einfachsten definiert als alle Zahlen, die quadriert eine positive Zahl oder Null ergeben). Damit haben wir eine weitere Klasse von Zahlen entwickelt, die sich auf wundersame Weise zwischen die dicht auf der Zahlengeraden liegenden rationalen Zahlen drängt. Die reellen Zahlen enthalten nun auch Wurzeln ganzer Zahlen und solch interessante Zahlen wie $ \pi $ oder die Euler-Zahl.

Wieder hat man das Gefühl, dass der Zahlenzoo damit vollständig ist - Teil 2 des Ausflugs ins Zahlenwunderland wird zeigen, dass dem nicht so ist. Interessanterweise spielt auch dort wieder die Quadratwurzel eine wichtige Rolle.