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Taylor- und Mac Laurin - Entwicklungen

Taylor-Entwicklungen

speziell: die Mac Laurinsche Reihe

Viele Funktionen lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen als Potenzreihe (d.h. als eine unendliche Summe) der Form

\[ f(x) = \sum_{n=0}^{\infty}a_n x^n = a_0 + a_1 x + a_2 x^2 + a_3 x^3 + \dots \] mit den konstanten Koeffizienten $a_n \in \mathbb{C},\;\; n \in \mathbb{N}_0 \;\;\;$ darstellen. Dabei handelt es sich um einen etwas einfacheren Spezialfall einer Taylor-Reihe (eine Taylor-Reihe um den speziellen Entwicklungspunkt $x_0 = 0$ ), der als MacLaurin-Reihe bezeichnet wird. Betrachtet man die Funktion selbst als ihre nullte Ableitung, so sind die Koeffizienten der Potenzreihe eindeutig durch die Ableitungen der Funktion an der Entwicklungsstelle $x_0 = 0 \;$ bestimmt: \[ a_0 = \frac{f(0)}{0!},\;\;\; a_1 = \frac{f'(0)}{1!},\;\;\; a_2 = \frac{f''(0)}{2!},\;\;\; a_3 = \frac{f^{(3)}(0)}{3!},\;\;\; \dots \] Der $n $-te Koeffizient ergibt sich also aus der $n $-ten Ableitung der Funktion an der Entwicklungsstelle, geteilt durch die Fakultät von $n $ (warum ist das so?). Verallgemeinert können wir alle Koeffizienten symbolisch schreiben \[ a_n = \frac{f^{(n)}}{n!} \;\;\; \text{ mit } f^{(n)} = \frac{d^n f(x)}{dx^n} \;\;\; \text{ und } n \in \mathbb{N}_0 \] Unter der Voraussetzung, dass wir die Ableitungen der Funktion bestimmen (und im Idealfall in Form eines einfachen analytischen Ausdrucks angeben) können, kann die Entwicklung durch die relativ einfache Berechnung der Koeffizienten direkt durchgeführt werden.

Als Beispiel betrachten wir die Entwicklung einer einfachen Sinusfunktion in eine Mac Laurinsche Reihe.

Sinus
Abb. 1: die Funktion zur Taylor-Entwicklung.

Gesucht sind die Koeffizienten der obigen Reihenentwicklung. Die ersten vier können jetzt einfach ausgerechnet werden: \[ \begin{aligned} a_0 &= \frac{f(0)}{0!} = \frac{1}{0!} = 0 \\ a_1 &= \frac{f'(0)}{1!} = \left. \frac{1}{1!} \frac{d}{dx} \sin(x)\right|_{x=0} = \frac{1}{1!} \cos(0) = 1 \\ a_2 &= \frac{f''(0)}{2!} = \left. \frac{1}{2!} \frac{d^2}{dx^2} \sin(x)\right|_{x=0} = \frac{1}{2!} (-\sin(0)) = -\frac{1}{2!}\cdot 0 = 0 \\ a_3 &= \frac{f^{(3)}(0)}{3!} = \left. \frac{1}{3!} \frac{d^3}{dx^3} \sin(x)\right|_{x=0} = \frac{1}{3!} (-\cos(0)) = \frac{1}{3!}\cdot (-1) \end{aligned}\] Ab der vierten Ableitung wiederholen sich die Werte für die Ableitung des Sinus, die Fakultät im Nenner des Vorfaktors wird jeweils um eins hochgezählt. Man erkennt die Systematik - die Koeffizienten für gerade $n $ verschwinden, für ungerade $n $ springt das Vorzeichen. Wir können die Mac Laurin - Reihe \[ f(x) = \sum_{n=0}^{\infty}a_n x^n \] oder für den Sinus \[ \sin(x) = \sum_{n=0}^{\infty} \left. \frac{1}{n!} \frac{d^n}{dx^n} \sin(x)\right|_{x=0} x^n \] also direkt angeben und nutzen dabei noch aus, dass die $a_n$ für gerade $n $ verschwinden. Wir wählen den neuen Index $k $ mit $n = 2k+1\;\; $ - damit sind die Werte für $n $ für alle ganzen $k $ ungerade. Weil der Index $n $ bis ins Unendliche geht, kann er einfach durch $n = 2k+1\;\; $ ersetzt werden, wenn $k $ ebenfalls bis ins Unendliche läuft - die Summe kann als \[ \sin(x) = \sum_{k=0}^{\infty} \left. \frac{1}{(2k+1)!} \sin(x)^{(2k+1)}\right|_{x=0} x^{(2k+1)} \] geschrieben werden. Beginnend mit $k=0\; $ sind die Ableitungen $\left. \sin(x)^{(2k+1)}\right|_{x=0}\;\;\; $ dann $\{1, -1, 1, -1, 1, -1, \dots\} \;\;\;\;\; $, was genau $(-1)^k \;$ entspricht. Mit dem neuen Index und den Ableitungen des Sinus kann die unendliche Summe also als \[ \begin{aligned} \sin(x) &= \sum_{k=0}^{\infty}{(-1)^k \frac{x^{2k+1}}{(2k+1)!}} \\ &= x - \frac{x^3}{3!} + \frac{x^5}{5!} - \frac{x^7}{7!} + \frac{x^9}{9!} - \dots \end{aligned} \] geschrieben werden. Diese Reihe ist die Mac-Laurinsche Reihe des Sinus, sie ist für alle $x \in \mathbb{C}\;\;$ (und damit auch für alle $x \in \mathbb{R}\;\;$) identisch mit der Funktion, die wir bisher ganz abstrakt als $\sin(x)\;\; $ bezeichnet haben.

Die Reihe ist natürlich nur als unendliche Summe exakt, bricht man die Mac Laurin-Reihe aber nach einem $n $-ten Summanden ab (man spricht dann von einem Mac Laurin- oder Taylor-Polynom vom Grad $n $), so erhält man eine Näherung für den Verlauf der Kurve der Funktion $f(x) \;$ in der Nähe der Entwicklungsstelle $x_0\;$ : \[ \sin(x) \approx \sum_{k=0}^{n}{(-1)^k \frac{x^{2k+1}}{(2k+1)!}} \] Diese Näherung muss also in etwa den Verlauf der Sinusfunktion in Abb.1 wiedergeben, die Näherung muss sich zudem mit ansteigendem $n $ verbessern. Diese beiden Behauptungen lassen sich natürlich recht einfach überprüfen: trägt man den Verlauf der Funktion und zweier Näherungen mit unterschiedlicher Zahl der Summanden (sie entspricht $n+1 \;$) in einem Diagramm auf, so ergibt sichdas folgende Bild:

n = Bitte spielen (Vorsicht: der Rechenaufwand steigt wegen der Fakultät bei großen $n $ deutlich!)

Taylor-Polynom des Sinus
Abb. 2: Das Taylor-Polynom um die Stelle 0 (auch als Mac Laurin-Polynom bezeichnet)als Näherung des Sinus aus Abb. 1, berechnet mit den oben bestimmten Koeffizienten.

Schon mit einigen Gliedern der Näherung erhält man den groben Kurvenverlauf nahe Null, mit steigender Zahl der Summanden nimmt die Qualität der Näherung schnell zu, bis sich im Grenzübergang $n \to \infty\;\;\;$ schließlich aus der Näherung in der Nähe einer Stelle wieder ein exakter Ausdruck für die Funktion ergibt - für alle alle $x \in \mathbb{C}\;\;.$